Sensing and Hacking the (Soft) Self

#Digitale Körper und Sinne
Sensing and Hacking the (Soft) Self
Sa. 3. 7. 19:0020:30

Keynote Vortrag mit Chris Salter (CA) und einer Respondenz von Karin Harrasser (AT), moderiert von Christoph Engemann (DE)

Mit Hilfe digitaler Technologien wie Sensorik und Machine Learning entstehen immer neue Anwendungen, die Sinneswahrnehmungen berechnen und modellieren, stimulieren und kontrollieren. Das sensorisch empfindende Subjekt und seine zunehmend „sensorisch bewusste“ technologische Umgebung verschwimmen. Die Idee einer solchen „sinnlichen Verkopplung“ von Mensch und Technologie ist allerdings nicht neu, sondern reicht über 150 Jahre zurück.

Gustav Fechner, ein ausgebildeter Arzt, der in den 1840er-Jahren ein wichtiger Akteur in den aufkommenden Wissenschaften der Psychologie und Physiologie war, gehörte zu den ersten Wissenschaftler:innen mit einer Idee, die ihrer Zeit weit voraus war; einer Idee mit radikalen Auswirkungen darauf, wie wir Fühlen und Wahrnehmung in Bezug auf von Menschen entwickelter Maschinen betrachten. Fechners wissenschaftliche Theorie, die so genannte Psychophysik, eine „Theorie der Beziehungen zwischen Körper und Geist“, zielte darauf ab, eine messbare Verbindung zwischen zwei Sphären herzustellen, die lange getrennt geblieben waren: dem materiellen, physischen und dem geistigen, psychologischen Universum. Heute ist die Psychophysik sehr lebendig an Orten, an denen man sie am wenigsten vermutet: in den Forschungslaboren von Unternehmen, die das neueste kabellose Lautsprechersystem oder VR-Headset entwickeln, oder in Start-ups, die sensorgesteuerte Wearables herstellen.

In seinem Vortrag zeigt Chris Salter – Autor des in Kürze erscheinenden Buches Sensing Machines. How Sensors Shape our Everyday Life – auf, dass man Sinneswahrnehmungen nicht nur mit Hilfe der Mathematik quantifizieren, sondern eine solche Theorie auch in eine Designstrategie umsetzen kann, um eine untrennbare Verbindung zwischen Empfindung, Handlung und Wahrnehmung für unsere neuen erweiterten Realitäten zu schaffen. Karin Harrasser (Autorin von Körper 2.0. Über die technische Erweiterbarkeit des Menschen) wird ausführlich auf seine Gedanken eingehen.

© Chris Salter
Chris Salter

Chris Salter ist Künstler, Professor für Design und computerbasierte Kunst an der Concordia University in Montreal und Direktor des Hexagram Concordia Centre for Research-Creation in Media Arts and Technology. Er hat Philosophie, Wirtschaft, Theater und Computermusik an den Universitäten Emory und Stanford studiert. Nach der Zusammenarbeit mit Peter Sellars und William Forsythe/Ballett Frankfurt war er Mitbegründer und Leiter der Kunst- und Forschungsorganisation Sponge (1997–2003). Seine Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten waren weltweit auf zahlreichen Festivals und in Ausstellungen zu sehen. Er ist der Autor von Entangled. Technology and the Transformation of Performance (MIT Press, 2010) und Alien Agency. Experimental Encounters with Art in the Making (MIT Press, 2015). Sein neues Buch Sensing Machines. How Sensors Shape our Everyday Life wird 2022 bei MIT Press erscheinen.

© Violetta Wakolbinger
Karin Harrasser

Karin Harrasser ist Professorin für Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz und ebendort Vizerektorin für Forschung. Nach einem Studium der Geschichte und der Germanistik wurde sie 2005 mit einer Dissertation über die Narrative der digitalen Kulturen an der Universität Wien promoviert. Es folgten eine wissenschaftliche Mitarbeiterstelle an der Kunsthochschule für Medien Köln und verschiedene Gastprofessuren in Deutschland und Kolumbien. Danach Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin über „Prothesen. Figuren einer lädierten Moderne“ (erschien 2016 bei Vorwerk 8). Neben ihren wissenschaftlichen Tätigkeiten war sie an verschiedenen künstlerisch-kuratorischen Projekten beteiligt, z. B. auf Kampnagel Hamburg, im Tanzquartier Wien oder mit MAPA Teatro und der kolumbianischen Wahrheitskommission in Bogotá. Zusammen mit Elisabeth Timm gibt sie die Zeitschrift für Kulturwissenschaften heraus. Derzeit arbeitet sie an zwei Publikationen über transatlantische Verflechtungen: einem Buch über asymmetrischen Kulturtransfer in Zusammenhang mit der jesuitischen Mission in Bolivien und einem Buch über das Vater-Tochter-Gespann Hans und Monika Ertl als Symptomgeflecht einer globalisierten Zeitgeschichte.

Christoph Engemann

Christoph Engemann ist Medienwissenschaftler an der Bauhaus-Universität Weimar mit einem Schwerpunkt auf den durch Digitalisierung bewirkten gesellschaftlichen Veränderungen. 2018 erschien der von ihm und Andreas Sudmann herausgegebene Band Machine Learning – Medien, Infrastrukturen und Technologien der Künstlichen Intelligenz.

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