Kathrin Passig lebt in Berlin von Sachbüchern, Essays und Vorträgen. 2006 erhielt sie bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt den Ingeborg-Bachmann-Preis und den Publikumspreis. Gemeinsam mit einigen hundert Autor:innen berichtet sie im kollaborativen Blog techniktagebuch.tumblr.com über Alltagstechnik und deren Veränderungen. 2019 wurde der Blog mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Aus der Begründung der Jury: „Kathrin Passig und Anne Schüßler haben einen einmaligen Ort im Netz geschaffen. Einen Zeitstrahl, der nicht nur Veränderung, Fortschritt, sondern auch die Unwägbarkeiten im Zusammenspiel zwischen Mensch und Maschine festhält. (...) In Kombination mit der Langlebigkeit ist ein Projekt von außerordentlicher Qualität entstanden.“
Micropolitics
Vortrag mit Kathrin Passig (DE) und einem anschließendem Gespräch mit Rahel Süß (DE)
Große digitale Unternehmen sind in den letzten Jahren nicht nur zu politischen Akteuren geworden, sondern unterwandern auch die offizielle Politik, um ihre Interessen durchzusetzen. Umgekehrt werden sie von Staaten genutzt, um geopolitische Ziele zu erreichen. Auf der anderen Seite stehen Individuen als digitale Akteur:innen, die sich zunehmend im Netz zusammenschließen, oftmals angetrieben von dem Ziel, irgendetwas zu verbessern. Diese Gruppen werden so ebenfalls zu politischen Gebilden, in denen es um Mitsprache, Macht und Rechte geht. Obwohl sich Netzgemeinschaften zwar meist nicht als politische Orte verstehen, findet politisches Handeln auch dort statt, wo man es nicht so nennt. Die technischen und sozialen Strukturen unserer Zusammenschlüsse sind jedoch so undemokratisch, ungerecht und unpraktisch wie die, gegen die wir protestieren – oder noch schlechter. Warum ist das so und wie könnten wir es besser machen?
Kathrin Passig befasst sich in ihrem 2022 erscheinenden Buch Neue Staaten erfinden. Wie im Netz Politik entsteht mit diesen neuen Institutionen und Praktiken, und wird in ihrem Vortrag einen Einblick in Fragen geben, welche Monarchien, Diktaturen und Demokratien im Netz entstehen, welche Probleme sie lösen oder entstehen lassen, und welche Fragen hinsichtlich „staatsbürgerlicher“ Rechte sich damit auftun.
Rahel Süß ist politische Theoretikerin an der Humboldt-Universität zu Berlin. In ihrer Forschung befasst sie sich mit digitalen Technologien und der Zukunft der Demokratie. Sie ist Gründerin der Zeitschrift engagée und des Data Politics Labs und arbeitet derzeit an ihrer Monografie Experimentelle Demokratie. Eine Theorie politischen Handelns. Zu ihren Veröffentlichungen zählen La Politique de la Provocation (2021), Demokratie und Zukunft. Was auf dem Spiel steht (2020) und Kollektive Handlungsfähigkeit. Gramsci – Holzkamp – Laclau/Mouffe (2015).